Im Vorfeld der olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro in Brasilien beherrschte Zika die Nachrichten weltweit. Die Ausbreitung des Virus in Brasilien, weiten Teilen Lateinamerikas und darüber hinaus beschäftigte lange Zeit die Bevölkerung, Besucher, Athleten und Forscher. Doch was ist dran? Wie groß ist das Risiko tatsächlich? Die WHO gab kurz vor Beginn der Olympischen Spiele eine Entwarnung: „Das Risiko von Zika-Virus-Infektionen bei den Olympischen Spielen ist niedrig und überschaubar.“

Prof. Dr. Bernhard Fleischer vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg erklärt im Interview, welche Gefahren mit einer Infektion verbunden sind und warum die Forschung dringend gefragt ist.

1. Welche Gefahren sind mit einer Infektion verbunden?

Bernhard Fleischer: Die Infektion verläuft für die meisten Betroffenen ohne Symptome. Nur bei einem von fünf Infizierten tritt eine milde Erkrankung mit Fieber, Hautausschlag, Bindehautentzündung und Gelenkschmerzen auf, die aber meist nach ein paar Tagen wieder abklingt. Aus einigen Ländern in Asien, wo sich das Virus seit 2013 ausbreitet, und in Südamerika wird eine Häufung von Fällen des Guillain-Barré-Syndroms – eine Entzündung der Nervenbahnen – berichtet. Die Zusammenhänge mit Zika-Infektionen müssen jedoch noch genauer untersucht werden.

2. Welche Komplikationen können insbesondere bei Schwangeren auftreten?

Bernhard Fleischer leitet die Abteilung Immunologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg.

Professor Bernhard Fleischer leitet die Abteilung Immunologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg.

Bernhard Fleischer: Die brasilianische Gesundheitsbehörde berichtet über eine starke Häufung von Fällen von Mikrozephalie, einer Missbildung des Gehirns bei Föten, in den betroffenen Gebieten. Es treten mehr als zwanzig Mal so viele Fälle wie in den vergangen Jahren auf. Zwar ist nicht bewiesen, dass das Zika-Virus die Ursache ist, aber einige Umstände sprechen dafür. Wie häufig diese Komplikation auftritt, ist unklar, da die Zahl der tatsächlich mit dem Zika-Virus-Infizierten aufgrund der seltenen und milden Symptome und der schwierigen Diagnostik unbekannt ist. Vermutlich ist es eine eher seltene Erscheinung, die durch die große Zahl an Infizierten erst bemerkbar wird.

3. Zika zählte bislang noch nicht zu den vernachlässigten Tropenkrankheiten, welche die WHO identifiziert hat. Warum wurde das Virus auf politischer Ebene unterschätzt?

Bernhard Fleischer: Es handelt sich um ein relativ neues Virus, dessen Gefahrenpotenzial für Schwangere erst jetzt bekannt geworden ist. Die Infektionen mit dem Zika-Virus verlaufen eben meist harmlos und es sind uns zahlreiche ähnliche von Insekten übertragene Viren bekannt, die man nicht alle bekämpfen kann. Außerdem treten öfters neue Viren auf, wie etwa Chikungunya-Virus, MERS-Corona-Virus, West-Nil-Virus und das Ebola-Virus, die zu schweren Erkrankungen führen. Deshalb wurde das Zika-Virus bisher verständlicherweise nicht vordringlich behandelt.

4. Wo liegen die derzeitigen Forschungsschwerpunkte in Deutschland?

Bernhard Fleischer: Eine zuverlässige molekularbiologische Nachweismethode durch PCR (eine Polymerase-Kettenreaktion mittels Vervielfachung der Viren-Erbinformation) gibt es bereits durch die Zusammenarbeit des Bernhard-Nocht-Instituts mit Altona Diagnostics. Wir arbeiten derzeit, zusammen mit der Industrie, an einem schnellen serologischen Test, um auch frühere und abgeklungene Zika-Infektionen leicht durch die Bestimmung von Antikörpern diagnostizieren zu können. Ein Impfstoff wäre aus heutiger Sicht insbesondere für Schwangere wichtig. Doch die Entwicklung kann sich noch über mehrere Jahre hinziehen.

5. Was sollte die Bundesregierung aus Ihrer Sicht unternehmen, um Wissenschaftler bei der Erforschung und Bekämpfung des Virus möglichst umfassend zu unterstützen?

Bernhard Fleischer: Wichtig wäre es, die Frage zu erforschen, warum es zu dieser ungewöhnlich schnellen Ausbreitung in Südamerika kommen konnte – im Gegensatz zu den Regionen in Afrika oder Asien, wo das Virus ja schon seit mehr als sechzig Jahren zirkuliert. Und im Moment erscheint eine Hotline sinnvoll, um die zahlreichen Anfragen besorgter Bürger zu beantworten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dieser Beitrag ist erstmals erschienen am 28.01.2016


Das Zika-Virus wurde 1947 zum ersten Mal im Zika-Wald in Uganda bei Affen entdeckt. 1952 wurde es dann zum ersten Mal beim Menschen nachgewiesen. Bis zum ersten größeren Ausbruch auf den westpazifischen Yap-Inseln 2007 gab es nur eine handvoll bekannter Krankheitsfälle. Derzeit (Januar 2017) gibt es noch keine Impfung gegen das Virus. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird an rund 40 Impfstoffen zu Zika geforscht. Bis eine Impfung verfügbar ist, werden noch einige Jahre vergehen. Doch Zika ist nicht die einzige Krankheit, für die ein Impfstoff fehlt.

Höhere Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen gegen Armutskrankheiten sind dringend nötig. Weltweit sterben immer noch rund 6,5 Millionen Menschen jedes Jahr an Krankheiten wie Aids und Malaria. Aber auch an weniger bekannten Infektionskrankheiten wie Leishmaniose oder der Schlafkrankheit. Deutschland fördert die Forschung und Entwicklung zu vernachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten seit 2011 auch über sogenannte Produktentwicklungspartnerschaften (PDPs). Dabei handelt es sich um internationale Non-Profit-Organisationen, die akademische Institute, öffentliche Forschungseinrichtungen, Pharmafirmen und Nichtregierungsorganisationen zusammenbringen, um Forschungslücken zu schließen.

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