Portrait MdB Stephan Albani (CDU)

MdB Stephan Albani (CDU) ist Mitglied im parlamentarischen Beirat „Bevölkerung und Entwicklung“ der DSW. Außerdem setzt er sich für vernachlässigte Armutskrankheiten ein.

Vernachlässigte und armutsbedingte Krankheiten betreffen über eine Milliarde Menschen weltweit. Forschung und Entwicklung in neue Diagnostika, Impfstoffe und Behandlungsmöglichkeiten zu vernachlässigten ist fatal. Ein Bündnis aus Entwicklungsorganisationen und Privatwirtschaft verleiht daher jedes Jahr den Memento-Preis in drei Kategorien, um Menschen für ihr besonderes Engagement zu vernachlässigten Krankheiten auszuzeichnen. Den Memento Politikpreis 2017 erhielt der Bundestagsabgeordnete Stephan Albani (CDU), der auch Mitglied im parlamentarischen Beirat „Bevölkerung und Entwicklung“ der DSW ist.

Herr Albani, herzlichen Glückwunsch zum Memento Politikpreis 2017. Sie wurden für ihr politisches Engagement zu vernachlässigten Armutskrankheiten ausgezeichnet. Worin genau besteht dieses Engagement?

Um bislang vernachlässigte Krankheiten nachhaltig und effizient zu bekämpfen, braucht es mehr öffentliche Forschungsförderung und eine globale politische Strategie. Ich sehe meine Aufgabe darin, dies auf die politische Agenda zu bringen und für öffentliches Bewusstsein zu sorgen. Der Weg ist dabei noch weit. So fragte mich vor Kurzem ein Journalist, ob denn ein Engagement für Tiere oder Kinder nicht sinnvoller sei. Verstehen kann ich das, schließlich sind die Epidemien weit weg und in unserer modernen Hochleistungsmedizin kein ernstzunehmendes Problem. Tatsächlich sorgen diese Krankheiten nicht nur für zahlreiche Tote und Geschädigte, sondern verfestigen das Problem der Armut. In multiresistenter Form und mithilfe weltweiter Verbreitungswege stellen sie auch unsere Gesundheitssysteme auf eine harte Probe. Daher ist der Einsatz unabdingbar – auch im ganz eigenen Interesse unseres Landes!

Seit wann und warum setzen Sie sich für vernachlässigte Armutskrankheiten ein?

Seit meinem Einzug in den Bundestag engagiere ich mich für das Thema – sei es in meiner Fraktion, auf überparteilicher Ebene, der internationalen Politik oder in Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen. Diesen Einsatz halte ich aus zwei Gründen für absolut notwendig: Einerseits zählen Krankheiten zu den bedeutendsten Faktoren für Armut und ausbleibende ökonomische Entwicklung. Andererseits verursachen diese Erkrankungen schweres und anhaltendes Leiden, wenn sie nicht zum Tod führen. Als Sohn eines Arztes fühle ich mich dabei dem hippokratischen Eid verpflichtet. Im Falle der Weltgesundheit tragen wir alle dafür Verantwortung.

Was sehen Sie als Ihre bisher größten Erfolge?

Ein großer Erfolg ist mein Antrag zur Fortsetzung der Förderung von Produktentwicklungspartnerschaften aus dem Mai 2015. Diesen habe ich in zahlreichen Gesprächen verhandelt und er verlangte mir einiges an politischer Ausdauer ab. Aber mit Erfolg: Im Zeitraum 2016 bis 2020 stehen nun 50 Millionen Euro für die nichtkommerzielle Erforschung und Erprobung von Heilmitteln, Diagnostika und Impfstoffen im Bereich vernachlässigte Krankheiten bereit. Doppelt so viel wie in der vorherigen Förderperiode! Seitens der Politik schließen wir so eine wichtige Finanzierungslücke in der pharmazeutischen Forschung, die sich für die Privatwirtschaft aufgrund geringer Renditen und hoher Risiken nicht lohnt.

Eine weitere wichtige Initiative betrifft die Beschleunigung des Transfers medizinischer Forschungsergebnisse in die Praxis: Hierfür konnte ich im April 2016 ein neues Fachprogramm verhandeln, mit welchem seitens des Bundesforschungsministeriums bis 2021 rund 240 Millionen Euro in entsprechende Projekte fließen. Eine weitere nationale Initiative ist aktuell in Vorbereitung und wird bald beraten: Mein Antrag zum Start einer Förderinitiative für die deutsche Wirkstoffforschung soll neue Mittel im Kampf gegen Resistenzen und vernachlässigte Krankheiten schaffen. Dafür sollen bis zum Jahr 2020 insgesamt 21 Millionen Euro bereitstehen. Die ersten vier Millionen Euro für den Start im laufenden Jahr haben wir bereits erfolgreich im Bundeshaushalt 2017 gesichert. Alle drei Initiativen ermöglichen eine wesentliche Verbesserung der Forschungstätigkeiten in und für Deutschland sowie die Welt.

Darüber hinaus engagiere ich mich auch international: Als Gründer und Vorsitzender des länderübergreifenden Abgeordnetennetzwerks „Eurasian Parliamentary Group on TB“ bringe ich das Thema Tuberkulose auf die nationalen Agenden in Europa. Ende März fand unter meiner Schirmherrschaft der erste „Berlin TB Summit“ statt, bei dem wir uns als Abgeordnete mit Regierungsvertreter und Experten vor der deutschen G20-Ratspräsidentschaft ausgetauscht haben.

Gibt es vernachlässigte Krankheiten, die besondere Aufmerksamkeit benötigen? Wenn ja, warum?

An erster Stelle der traurigen Statistik steht hier die Tuberkulose: Sie ist mit insgesamt 1,8 Millionen Opfern pro Jahr die weltweit tödlichste Infektionskrankheit und steht an neunter Stelle bei den Todesursachen. Noch vor wenigen Generationen bedrohte sie die Gesundheit in Europa, heute hält sie den Kreislauf aus Krankheit und Armut in den besonders entwicklungsbedürftigen Regionen in Gang. Dabei ist sie verhängnisvolle Allianzen eingegangen: 400.000 Menschen sterben hieran in Kombination mit HIV/Aids. Besonders heimtückisch: Die Tuberkulose kann jahrelang ohne spürbare Symptome in einem Patienten vorhanden sein. Sobald das Immunsystem jedoch geschwächt ist, bricht sie voll aus. Aufgrund dieser Eigenschaften und den oft schwierigen Therapiebedingungen vor Ort beobachten wir steigende Fallzahlen bei der einfach oder sogar multiresistenter Tuberkulose. Hier müssen wir schnell und umfassend im globalen Maßstab reagieren: Andernfalls drohen uns Tuberkulose-Epidemien neuer und verheerender Qualität.

Warum sind vernachlässigte Armutskrankheiten auch ein Thema für Industrieländer?

Die Verbesserung der weltweiten Gesundheitslage ist seit langem eine zentrale Aufgabe in der Entwicklungszusammenarbeit. Ich betone aber immer wieder, dass dies keine idealistische Geste sein darf, sondern unser vitalstes Eigeninteresse betrifft. Bereits jetzt beobachten wir, dass Erreger zunehmend antibiotikaresistent werden. Wenn moderne Wirkstoffe hier nicht mehr greifen, müssen wir auf Reservemittel zurückgreifen. Diese verursachen häufig schwere Nebenwirkungen. So birgt die Therapie der resistenten Tuberkulose die Gefahr von schweren Leberschäden und Blindheit.

Diese Krankheiten halten sich aber nicht an Ländergrenzen und Einreisebestimmungen: Sie sind im gleichen Maße international mobil wie wir es dank günstiger Flugreisen und einer globalisierten Welt sind. In der Folge droht uns so eine Rückkehr überwunden geglaubter Erreger in resistenter Form. Tuberkulose ist hier ein gutes Beispiel: Bei Diagnostik und Therapie sind wir hiergegen nicht mehr so gut aufgestellt, wie noch in den 1970er Jahren als es Massenscreenings an Schulen gab. Im Zweifel werden die Erkrankungen also zu spät erkannt. Ein ganz anderes Problem ist dann die Therapie von resistenten Erregern. Diese gab es zuvor noch nicht in einem solchen Ausmaß. Uns droht ein post-antibiotisches Zeitalter, wenn wir hier nicht schnell und entschlossen handeln!

Laudatorin Mareike Haase (Brot für die Welt) überreicht Memento Politikpreis 2017 an MdB Stephan Albani.

Laudatorin Mareike Haase von Brot für die Welt überreicht den Memento Politikpreis 2017 an MdB Stephan Albani.
(Foto: Alexander Mundt/Büro Albani)

Wie kann und muss Deutschland sich hier engagieren?

Unser Land ist hier auf einem guten Weg und hat sein Engagement in der Regierungsverantwortung der Union entscheidend ausgebaut: Wir sind seit Jahren eines der wichtigsten Geberländer des „Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria (GFATM)“. Dieser internationale Fonds ist der wichtigste Geldgeber für die Tuberkuloseforschung. Auf nationaler Ebene haben wir unsere Förderung mit dem 2015 umfassend aktualisierten Förderkonzept „Vernachlässigte und armutsbegünstigte Krankheiten“ auf eine neue Grundlage gestellt. Auch seitens des Parlaments lassen wir nicht locker und fordern die Bundesregierung immer wieder zu mehr Engagement auf. Die Bundesregierung selbst trägt diesen Auftrag auch in die internationale Politik: Unter deutscher Präsidentschaft gelangte das Thema Weltgesundheit im Jahr 2015 erstmals umfassend auf die G7-Agenda. Der gemeinsame Beschluss sieht einen globalen Aktionsplan gegen Antibiotikaresistenzen, die Stärkung bislang schwacher Gesundheitssysteme, Maßnahmen zur Bekämpfung von vernachlässigten Krankheiten sowie eine bessere Koordinierung der globalen Forschungsförderung vor.

Auch bei der kommenden deutschen G20-Präsidentschaft ist dieses Thema prominent vertreten: Erstmals findet deshalb ein G20-Gesundheitsministertreffen statt. Politisch wichtig ist hier auch die gezielte Bündelung und Förderung der hervorragenden wissenschaftlichen Expertise unseres Landes. So entstand das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung als Forschungsverbund von sieben Standorten und 32 Partnern. Außerdem finanzierten wir die Neugründung des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung oder eben die medizinische Forschung im Rahmen der Produktentwicklungspartnerschaften.

Was steht in den kommenden Monaten auf ihrer persönlichen Agenda im Bereich der vernachlässigten Armutskrankheiten?

Zunächst geht es mir darum, meine parlamentarische Initiative für die Förderung der Wirkstoffforschung zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Die Entwicklung neuer Wirkstoffe gibt uns neue Mittel im Kampf gegen Resistenzen.

Eine große und wichtige Herausforderung bleibt aber die Impfstoffentwicklung. Für viele der vernachlässigten Krankheiten gibt es schlichtweg keine Impfung. Wenn wir Menschen nicht immunisieren, werden wir diese Krankheiten nie ausrotten können. Das zeigt das Beispiel der Pocken, deren Ausrottung nur in der Kombination aus Präventionsmaßnahmen, breit angelegten Impfungen und gutem Therapiezugang gelang. Dennoch fehlt es weiterhin weltweit an den notwendigen Finanzmitteln für Forschung und Entwicklung. Allein bei der Tuberkulose werden rund zwei Milliarden US-Dollar pro Jahr benötigt. Die tatsächlichen Investitionen belaufen sich jedoch auf nur etwa 700 Millionen US-Dollar jährlich. Dennoch gibt es Hoffnung: So sind aktuell 13 vielversprechende Impfstoff-Kandidaten in der Entwicklung. Hier müssen wir die notwendigen finanziellen Mittel bereitstellen, um die Impfstoffe zeitnah zu erproben und in die Anwendung zu bringen!