[x_feature_headline type=“left“ level=“h6″ looks_like=“h6″ icon=“bookmark“]Gastbeitrag von Esther Dopheide (Christoffel-Blindenmission – CBM)[/x_feature_headline]

Erblindet, nur weil sauberes Wasser fehlt: Im 19. Jahrhundert betraf dies noch viele Menschen in Deutschland. Doch mit den besseren Hygienestandards konnten Krankheiten wie Trachom hierzulande ausgerottet werden. Ganz anders ist die Situation im globalen Süden: Die bakterielle Augenentzündung zählt zu den insgesamt 18* vernachlässigten Tropenkrankheiten (neglected tropical diseases oder NTDs) und gilt als die häufigste infektiöse Erblindungsursache in tropischen Entwicklungsländern. Mehr als 200 Millionen Menschen sind davon bedroht und benötigen dringend Hilfe. Besonders stark ist Trachom in Äthiopien verbreitet. Fast die Hälfte aller Kinder ist infiziert. Mehr als eine Million Erwachsene in dem ostafrikanischen Land leiden unter Trachom im fortgeschrittenen Stadium. Ihnen droht der Verlust des Augenlichts. Das müsste nicht sein: Umfassende Aufklärung, bessere Hygiene und eine flächendeckende medizinische Versorgung können Trachom und andere NTDs nachhaltig eindämmen.

Trachom: unbehandelt droht Erblindung

Steckbrief TrachomUrsache für Trachom sind sogenannte Chlamydien. Sie werden über den direkten Kontakt mit den Schleimhäuten der Augen, der Nase und des Mundes, oder durch Fliegen übertragen. Wenn etwa Mütter ihren Kindern und sich selbst aus Mangel an Wasser mit einem Tuch über die Augen wischen, dann übertragen sie damit häufig die gefährliche Infektion vom einen auf den anderen. Zuerst treten Symptome einer Bindehautentzündung auf. Wiederkehrende und unbehandelte Infektionen führen allmählich zu Narben auf der Innenseite der Augenlider, die sich dadurch verkürzen und die Wimpern nach innen drehen. In der Folge scheuern die Wimpern bei jedem Blinzeln schmerzhaft über die Hornhaut, die sich zunehmend eintrübt und schließlich unwiderruflich vernarbt.

Ohne Behandlung erblinden die Betroffenen. Und das, obwohl Trachom mit der SAFE-Strategie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geheilt oder sogar ganz vermieden werden kann: Dazu gehören die Rettung der Sehfähigkeit durch eine einfache und kostengünstige Operation des Augenlids (Surgery), die Verteilung von Antibiotika, das regelmäßige Waschen des Gesichtes (Face washing) sowie Mindeststandards bei sanitären Anlagen und bessere Hygiene (Environmental improvement). Vor allem die beiden letztgenannten Komponenten sind wichtig, um Ansteckungen zu verhindern. Es müssen mehr Brunnen und Latrinen gebaut werden und barrierefrei zugänglich sein. Für alle zugängliche Schulgesundheitsprogramme und Aufklärungsaktionen in Gemeinden sind weitere wesentliche vorbeugende Maßnahmen.

Flussblindheit: Medikamente schützen

Steckbrief FlussblindheitAuch die Flussblindheit (Onchozerkose) führt zum Verlust des Augenlichts. Diese Krankheit kommt vor allem in Afrika südlich der Sahara vor. In Südamerika und Teilen der arabischen Halbinsel gibt es noch kleinere Krankheitsherde. Schätzungen der WHO zufolge sind ca. 270.000 Menschen auf Grund von Onchozerkose unheilbar erblindet. Rund 37 Millionen Menschen sind infiziert, weitere 100 Millionen gefährdet. Die parasitäre Erkrankung wird durch den Stich der Kriebelmücke übertragen und durch Fadenwürmer ausgelöst. Diese setzen im menschlichen Körper Millionen mikroskopisch kleiner Würmer frei – sogenannte Mikrofilarien. Über das Blut wandern sie durch den ganzen Körper und können im Auge zum Erblinden führen sowie schwere Hautveränderungen mit unerträglichem Juckreiz hervorrufen.

Um dem „Fluch der Flussblindheit“ zu entkommen, verlassen die Menschen in betroffenen Gebieten oft fruchtbares Ackerland. Mit der Folge, dass die Äcker nicht mehr bewirtschaftet werden und sich die Versorgungslage verschlechtert. Deswegen ist es nicht nur für den einzelnen Betroffenen, sondern auch für die regionale Wirtschaft wichtig, Flussblindheit durch Verteilung des Medikaments Mectizan zu bekämpfen. Es unterbricht den Übertragungsweg und wirkt auch vorbeugend. Um die Verteilung an alle betroffenen und gefährdeten Menschen zu gewährleisten ist es – ähnlich wie bei den Maßnahmen gegen Trachom – wichtig, eine flächendeckende, umfassende und dauerhafte Gesundheitsversorgung aufzubauen.

Worten müssen Taten folgen

Auch die Bundesregierung hat erkannt, dass die Stärkung der Gesundheitssysteme von grundlegender Bedeutung für die Verbesserung des Lebens von Milliarden Menschen weltweit ist und hat dies zu einem zentralen Thema ihrer G20-Präsidentschaft gemacht. Das ist ein positives Signal auch für die Bekämpfung von Trachom und Flussblindheit. Doch Worten müssen Taten folgen. Wir brauchen einen konkreten und unter dem Dach der WHO koordinierten Fahrplan mit messbaren Zielen zur Verbesserung der medizinischen Versorgung weltweit sowie zur Eliminierung von vernachlässigten Tropenkrankheiten. Genauso brauchen wir verbindliche Förderzusagen. Die Bundesregierung sollte sich dabei nicht nur auf die Forschung und Entwicklung neuer Medikamente konzentrieren, sondern die NTD-Bekämpfung auch bei ihren Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitssysteme konkreter im Blick haben. Nur wenn sich bald etwas bewegt, können wir verhindern, dass Millionen Menschen durch Krankheiten wie Trachom oder Flussblindheit unnötig erblinden.

*Hinweis: Im Juni 2017 erweiterte die WHO die Liste der vernachlässigten tropischen Krankheiten auf 20.

Zur Autorin: Esther Dopheide leitet den Bereich Presse und Information der Christoffel-Blindenmission (CBM).

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