Die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) betreut eine Reihe unterschiedlichster Projekte in Äthiopien. Von Jugendaufklärungsprojekten bis hin zu Unternehmensprojekten für Frauen. Doch wie funktionieren sie wirklich? Insgesamt sieben Reiseteilnehmer, darunter Stiftungsgründer Dirk Roßmann fuhren im Oktober 2015 nach Äthiopien, um sich selbst ein Bild zu machen. In vier Teilen geben wir diese Bilder an euch weiter.

Tag 1: 10 Jahre Trainingszentrum

Äthiopiens Weg nach vorn

Wir sind in Debre Zeyit im Trainingszentrum der Stiftung Weltbevölkerung in Äthiopien, etwa fünfzig Kilometer südlich der Hauptstadt Addis Abeba. Die Fahrt von Addis hierher dauerte etwa eine Stunde. Das ist vergleichsweise kurz für äthiopische Verhältnisse, doch die Drei-Millionen-Stadt Addis Abeba und die kleine, aufstrebende Stadt Debre Zeyit verbindet seit kurzer Zeit eine dreispurige Autobahn. Die erste Autobahn in diesem riesigen Land, in das Deutschland, Frankreich und Spanien gemeinsam hineinpassen würden. Es geht voran in Äthiopien. Vor allem auch in einem anderen Gebiet: Der Jugendaufklärung.

Die Stiftung Weltbevölkerung unterstützt eine Vielzahl von Jugendklubs in Äthiopien, in denen Jugendliche andere Jugendliche über Sexualität aufklären und offen für sie relevante Jugendthemen ansprechen können. Die Regierung fördert Familienplanung in hohem Maße. Denn Äthiopien gehört noch immer zu den Ländern, die stark von Männern dominiert werden, in dem vor allem die Frauen nur sehr selten über die Anzahl ihrer Kinder entscheiden können. Doch in diesen Jahren wandelt sich das in Äthiopien. Und das Trainingszentrum der DSW ist einer der zentralen Orte im Land, von dem dieser Wandel ausgeht.

Vorstands-, Stiftungsratsmitglieder und Mitarbeiter der DSW vor einem Jugendklub in Äthiopien

Besuch im Trainingszentrum (von links nach rechts): Renate Bähr, Feyera Assefa, Knut Gerschau , Denny Ehrlich, Reinhard Schliecker, Dirk Roßmann, Elmar Bingel , Sabine Bingel, Sylvia von Metzler, Tasew Endale, Michael Rybak.

Zeremonie im weiten Rund

Dirk Roßmann ehrt Jugendklubmitglieder in Äthiopien

Dirk Roßmann ehrt die nachhaltigsten Jugendklubs der Stiftung in Äthiopien.

Wir werden von Feyera, dem äthiopischen Länderbüroleiter empfangen, der uns in einen saalähnlichen Raum führt, in dem schon etwa 100 Gäste Platz genommen haben. Wir sind Ehrengäste, doch es geht an diesem Tag nicht um uns. Sicher: Dirk Roßmann hat die Stiftung mitgegründet und der Aufbau wurde von Deutschland aus mitfinanziert, doch im Trainingszentrum wurde in den letzten Jahren außerordentlich gut gearbeitet. Unter den Gästen sind Vertreter vom äthiopischen Gesundheitsministerium und auch anderen Organisationen, mit denen die Stiftung in Äthiopien zusammenarbeitet. Und natü rlich sind auch viele Jugendliche angereist, die teilweise einen ganzen Tag gefahren sind, um heute hier zu sein. Denn: Neben der Vorstellung des Trainingszentrums und einem aktiven Austausch der Teilnehmer über die Zukunft des Zentrums, wurden auch die besten Jugendklubs ausgezeichnet. Dirk Roßmann überreichte den Jugendlichen in einer feierlichen Zeremonie die Urkunden.

 

Die Jugendlichen zeigen, was sie auf dem Kasten haben

Sylvia von Metzler (Stiftungsrat) pflanzt einen Baum

Pflanzt ihr Bäumchen ins Trainingszentrum: Sylvia von Metzler (Mitglied im Stiftungsrat der DSW).

Die Gäste wurden nun auf die Anlage geleitet, wo Vorstand und Stiftungsrat der guten Tradition folgten, hier einen Baum zu pflanzen. Weiter ging es in ein weißes Zelt, das ein wenig an die Festzelte auf Jahrmärkten erinnert. Nur deutlich kleiner. Am heutigen Tag diente es als Fotoausstellung. Die Jugendlichen nutzten hier die Gelegenheit, um den Teilnehmern ihre Arbeit zu präsentieren: Wie die Aufklärungsarbeit mit den anderen Jugendlichen funktioniert, wie die Klubs eigene Ideen umsetzen, um ein Einkommen für den Klub zu generieren, wie einige Mädchenklubs ganz gezielt gegen das Problem der Scheidenfisteln kämpfen und wie die Jugendlichen mit Theaterstücken und Musik ihre Gemeinden informieren. Einiges sollten wir im Laufe unserer Reise näher kennen lernen, von letzterem bekamen wir gleich eine Kostprobe.

Die letzten Gäste waren noch im Zelt, da flogen schon einige Jugendliche durch die Luft, die mit ihrer Akrobatikshow begeisterten. Was die Gäste zu sehen bekamen war ein typischer Ablauf einer Aufklärungsveranstaltung, wie sie auch irgendwo auf dem Marktplatz in Debre Zeyit, einer Sportveranstaltung in Bahar Dar oder einer belebten Straße in Addis Abeba vorkommen könnte: Die Jugendlichen wecken mit spektakulären Akrobatikshows und Musik das Interesse der Menschen, die sich in Scharen um die Jugendlichen herum versammeln.

Dann führen die Jugendlichen Theaterstücke auf, die ein spezifisches Problem thematisieren. Beispielsweise eine Geschichte über eine junge Frau, die zu früh schwanger wurde und bei der Entbindung stirbt. Weil sie zu jung ist, weil sie keine ärztliche Unterstützung hat. Hier ist es Fiktion, doch in Äthiopien noch bittere Realität für viele junge Frauen. Theaterstücke wie diese sollen den Menschen einen Spiegel vorhalten. Und Fragen aufwerfen!

Das Trainingszentrum: Herberge, Bibliothek und … Tischtennis

Das Trainingszentrum selbst bietet den Jugendlichen an normalen Tagen die Möglichkeit, an professionellen Weiterbildungen teilzunehmen. Hier lernen sie nicht nur, wie sie ihr Wissen über Sexualität und Verhütung vermitteln können, sondern auch, wie sie einen Jugendklub managen, wie sie andere Jugendliche zu wichtigen Gesundheitsfragen beraten, wie sie eine Kommunikation auf Augenhöhe erreichen – alles Dinge, die ihnen später auch im Beruf helfen werden. Das Trainingszentrum selbst macht den Eindruck einer charmanten Jugendherberge.

Die Reisegruppe schaut sich die Bibliothek des Jugendklubs an

In der Bibliothek des Jugendklubs gibt es viel spannende Lektüre.

Doch die Schlafplätze, das Computerlab und die Bibliothek sind nicht nur den Jugendlichen der DSW vorbehalten. Seit Bestehen des Trainingszentrums haben allein mehr als 300 andere Nichtregierungsorganisationen die Räumlichkeiten gemietet und für ihre Workshops genutzt. Das Trainingszentrum trägt sich so mittlerweile selbst. Und: Auch eine Freizeit muss gestaltet werden, deswegen gibt es neben einigen Brettspielen auch eine Tischtennisplatte, die gleich von den Vorstandsmitgliedern Dirk Roßmann und Knut Gerschau auf ihre Tauglichkeit hin überprüft wurde. Man sieht, dass beide schon öfter eine Kelle in der Hand hatten. Und Dirk Roßmann letztlich wohl mehr als Knut Gerschau.

Teil 2: Die Show über Sexualaufklärung auf dem Busbahnhof