Eigentlich wollten wir zu den kruden Afrika-Theorien des AFDlers Björn Höcke gar nichts sagen, denn dafür wurde er schon zu Recht von extern und intern zurechtgewiesen. Da er zur Unterfütterung dieser sinnfreien Äußerungen aber missbräuchlich auf unsere Zahlen verweist, möchte ich hier doch noch das ein oder andere Wort darüber verlieren.
Björn Höcke hat auf unserer Website gefunden, wonach er gesucht hat: die Bevölkerungsprojektionen der Vereinten Nationen. In diesen Projektionen gehen die Vereinten Nationen davon aus, dass im Jahr 2100 voraussichtlich 4,4 Milliarden Menschen auf dem afrikanischen Kontinent leben werden – und damit fast viermal mehr als heute. Seine Schlussfolgerung: Es gibt afrikanische „Ausbreitungstypen“ und europäische „Platzhaltertypen“. Doch das ist totaler Quatsch!
Armut ist Hauptursache
Frauen in den ärmsten Ländern der Welt können oft nicht selbstbestimmt und frei darüber entscheiden, wie viele Kinder sie haben möchten, weil es Ihnen an Bildung, an Aufklärung und Beratung mangelt, weil gerade Frauen und Mädchen kaum Zugang zu Gesundheitsdiensten haben, weil ihnen keine oder nur unpassende Verhütungsmittel zur Verfügung stehen, weil die Überlebenschancen von Kindern gering sind und weil Armut und sexuelle Gewalt weit verbreitet sind.
Das sind im Übrigen auch die Gründe, warum vor noch nicht einmal hundert Jahren auch in Deutschland die Geburtenraten sehr hoch waren. Heute kann eine Frau in Deutschland aber beispielsweise aufgrund einer viel besseren Gesundheitsversorgung davon ausgehen, dass ihr Kind das fünfte Lebensjahr erreichen wird und sie von fünf Kindern nicht drei verliert.
Mehr als 220 Millionen Frauen in Entwicklungsländern würden gern verhüten, haben dazu aber keine Möglichkeit. Eine der Folgen: 74 Millionen Frauen und Mädchen werden jedes Jahr ungewollt schwanger. Und: Alle zwei Sekunden stirbt eine Frau oder ein Mädchen während der Schwangerschaft oder Geburt an Komplikationen, die sich vermeiden ließen.
Hohe Geburtenraten zeigen die schwache Stellung von Mädchen und Frauen in Gesellschaften, und ungewollte Schwangerschaften zementieren diese Stellung. Besonders offensichtlich wird dies in Konfliktregionen, in denen vor allem vertriebene Frauen und Mädchen einen besonderen Schutz brauchen. Ziel muss es sein, dass alle Frauen frei darüber entscheiden können, ob, wann und wie viele Kinder sie bekommen. Das ist ein Menschenrecht!
Mit den folgenden kurzen Filmen wird die Thematik noch greifbarer. Der erste Film zeigt eine kenianische Mutter und ihre Tochter, die ganz unterschiedliche Voraussetzungen im Leben hatten. Der zweite Film zeigt, was junge Frauen benötigen, um ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben ausüben zu können.
Die Entwicklung der Geburtenzahlen in Afrika
Eine Vervierfachung der Bevölkerung in 85 Jahren? Das kann ja nur bedeuten, dass die Menschen in Afrika immer mehr Kinder bekommen! Oder etwa nicht? Schauen wir auf die Statistik zur Gesamtfruchtbarkeitsrate 1970 im Vergleich zu 2013. Hierbei fällt auf: In den meisten afrikanischen Ländern ging die Gesamtfruchtbarkeitsrate zum Teil sehr deutlich zurück. So fiel die Zahl der Geburten pro Frau beispielsweise in Algerien (von 7,6 auf 2,9), in Ghana (von 7,0 auf 4,3), in Ruanda (von 8,2 auf 4,0) und in Botswana (von 6,6 auf 2,6). Botswana ist damit heute durchaus mit Staaten wie Frankreich vergleichbar, wo die Geburtenrate bei 2,0 liegt.
In ein paar wenigen Staaten stieg die Zahl aber an: In Niger (von 7,4 auf 7,6), im Tschad (von 6,5 auf 6,6), in der Zentralafrikanischen Republik (von 6,0 auf 6,2), in der Demokratischen Republik Kongo (von 6,2 auf 6,6) und im heutigen Südsudan (von 6,9 auf 7,0). Diese Staaten gehören gleichzeitig zu den zehn ärmsten Ländern der Welt.
Die Beispiele zeigen auch: Eine gesamtafrikanische Aussage lässt sich nicht treffen.
Und global gesehen sinkt die durchschnittliche Wachstumsrate der Weltbevölkerung, dies zeigt der aktuelle Global Monitoring Bericht der Weltbank: Während der Bevölkerungszuwachs vor einigen Jahrzehnten noch bei zwei Prozent lag, beträgt er jetzt nur noch ein Prozent, und 2050 wird er voraussichtlich bei nur 0,5 Prozent liegen.
Zum Abschluss noch ein kurzer Erklärfilm, der aufzeigt, welch großes Potenzial in der afrikanischen Jugend steckt, wenn wir nur mit ihr statt gegen sie arbeiten. Für diesen Film braucht Björn Höcke aber mehr Zeit als bei seiner ersten Recherche auf unserer Website.
Wieso die Aussage von Höcke falsch ist, muss man mir erklären.
Wenn sich bis 2100 die Bevölkerung Afrikas vervierfacht hat, während die Bevölkerung Europas bis dahin tendenziell abnimmt, ist diese Milchmädchen-Analyse doch richtig … auch wenn sie, äußerst bemüht, von einem Kotzbrocken vorgetragen wird.
Höcke verweist darauf, dass Afrikaner genetische Ausbreitungstypen seien, Europäer Platzhaltertypen. Die Entwicklung der Bevölkerungszahl hat aber andere tiefgreifendere Gründe, wie oben bereits erwähnt (u.a. Armut, fehlender Zugang zu freiwilliger Familienplanung usw). Aber Höckes Welt ist nun mal sehr überschaubar.