Freiwillige Familienplanung ist ein Menschenrecht. Es bedeutet, dass jeder Mensch Zugang zu Verhütungsmethoden hat und selbst entscheiden kann, ob, mit wem und wann er oder sie eine Familie gründen möchte. Besonders Frauen und Mädchen wird dieses Recht jedoch oft verwehrt. Der Leiter des Berliner DSW-Büros, Andreas Hübers, schreibt, wo er im neuen Jahr großes Potenzial für positive Entwicklungen sieht – und wo wir uns besonders engagieren werden.

Jugendliche sind der Schlüssel

Andreas Hübers bei der internationalen Konferenz für Familienplanung (ICFP)

Andreas Hübers (mitte rechts) bei der internationalen Konferenz für Familienplanung (ICFP) in Ruanda

Eines meiner Schlüsselerlebnisse im Jahr 2018 hatte ich auf der internationalen Konferenz zu Familienplanung in Kigali, der Hauptstadt von Ruanda. Hier kam ich mit Moses ins Gespräch, einem jungen Mann aus einer ländlichen Gegend Ugandas. Er erzählte er mir, wie sich sein Leben durch den Youth Truck, das Aufklärungsmobil der DSW, verändert hatte. Es war eine kritische Zeit in seinem Leben gewesen, denn er hatte viele Fragen zu Sexualität und Gesundheit, die er niemandem stellen konnte. Doch mit dem Team des Youth Trucks konnte er all seine Fragen offen besprechen und endlich die Antworten bekommen, die er brauchte.

Das ist an sich schon eine Erfolgsgeschichte, doch hier endet sie noch nicht: Moses wollte sein Wissen weitergeben, damit alle Jugendlichen dieselbe Möglichkeit haben. Er schloss sich mit anderen zusammen, um mit handwerklichen Arbeiten Geld zu verdienen. Die Gruppe sparte schließlich genug, um einen alten Geländewagen zu kaufen. Dieser Youth Truck II ist nun im Osten Ugandas unterwegs – „Ich erkenne mich in vielen Jugendlichen wieder“, sagte Moses mir bei unserem Treffen in Kigali „Ich hatte damals dieselben Fragen – jetzt kann ich sie beantworten.“

Die Geschichte von Moses und seinem Engagement für einen eigenen Youth Truck ist nicht nur eine tolle Erfolgsgeschichte unserer Arbeit. Sie zeigt auch, wie viel entstehen kann, wenn man Jugendlichen eine Chance gibt – und wie wichtig dabei Ansprechpartner*innen sind, die ihnen Informationen über Verhütung und sexuelle Gesundheit mit auf den Weg geben. Junge Menschen sind selbst die besten Fürsprecher*innen für ihre Bedürfnisse – sei es im Gespräch mit Gleichaltrigen oder mit Politiker*innen. Man muss sie nur dabei unterstützen. Deshalb ist es für mich wichtig zu fragen:

„Was würde Moses helfen, seinen Traum umzusetzen und alle Jugendlichen in Ost-Uganda mit Informationen über Aufklärung, Gesundheit und Erwachsenwerden zu erreichen?

2019 bauen wir auf Partnerschaften

Im Juni findet die Konferenz Women Deliver in Kanada statt. Es wird die größte Konferenz zu den Themen Geschlechtergerechtigkeit, Rechte von Mädchen und Frauen sowie ihre Gesundheit im 21. Jahrhundert. Auch die Initiative FP2020 wird vermehrt in den Fokus der öffentlichen Diskussion rücken. Bis zum Jahr 2020, so das Ziel, sollen 120 Millionen weitere Frauen moderne Verhütungsmethoden nutzen. Seit 2012 konnte sich die Zahl um 46 Millionen neue Nutzerinnen erhöhen – ein toller Erfolg, doch noch nicht einmal die Hälfte des anvisierten Ziels.

Die DSW wird sich bei beiden Gelegenheiten aktiv einbringen, damit bestehende Fortschritte beschleunigt werden. Zusammen erreichen wir mehr!

2019 schaffen wir mehr politischen Spielraum für Jugendliche

Den Satz „Die Jugend ist unsere Zukunft“ sagen Politiker*innen aller Altersgruppen gerne und oft. Wichtiger ist: Die Jugendlichen sind die Gegenwart. Ob bei der Gestaltung lokaler Gesundheitsleistungen in Ostafrika oder bei der Konzeption neuer Gesundheitsprogramme: Jugendliche müssen involviert werden. Allein dass die unter 15-Jährigen in afrikanischen Ländern südlich der Sahara 43 Prozent der Bevölkerung ausmachen, zeigt, dass hier großer Bedarf besteht. Die jungen Menschen müssen ihre Meinungen und Bedürfnisse artikulieren können. Und die Politik muss zuhören.

In den vergangenen Jahren haben die „Youth Champions“, die von der DSW gefördert werden, Einiges erreicht. In fast allen Gemeinden, in denen sie sich einsetzen, konnten sie mehr jugendfreundliche Gesundheitsangebote durchsetzen. Diesen Jugendlichen wollen wir 2019 vermehrt eine Bühne und Vernetzungsmöglichkeiten geben – auf nationaler und internationaler Ebene.

2019 wollen wir die Finanzierungslücke weiter schließen

Obwohl viele afrikanische Regierungen und einige Geber ihre Mittel für Familienplanung in den letzten Jahren erhöht haben, bleibt eine Investitionslücke. 2019 wird für mich dann ein erfolgreiches Jahr gewesen sein, wenn diese weiter geschrumpft ist. Die DSW setzt sich auf vielen Ebenen dafür ein:

Europas Einfluss auf Familienplanung

Momentan schwankt die Unterstützung für sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte in zwei wichtigen OECD-Ländern: in den USA durch die Fortsetzung der Global Gag Rule und in Großbritannien durch den Brexit. Auf EU-Ebene, die hierdurch noch wichtiger geworden ist, wird im Mai 2019 ein neues Parlament bestimmt. Wir arbeiten hier mit Nachdruck, um die europäische Stimme für sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte zu stärken. Denn gerade jetzt werden entwicklungspolitische Investitionen durch die EU besonders benötigt.

Deutschlands Engagement ist zentral

Eine international wichtige Entscheidung steht 2019 in Deutschland an. In diesem Jahr läuft die Initiative für Familienplanung und Müttergesundheit aus, die bislang mit 100 Millionen Euro jährlich vom Bund gefördert wurde. Sie verfolgte drei wichtige Ziele innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit:

  1. Wissen über und Akzeptanz moderner Familienplanungsmethoden steigern
  2. Zugang zu modernen Familienplanungsmethoden und -dienstleistungen verbessern
  3. Zahl der medizinisch-professionell begleiteten Geburten erhöhen

Wir hoffen nicht nur auf die Fortsetzung dieser Initiative. Besonders angesichts der Finanzierungslücke setzen wir uns für eine Aufstockung der Mittel auf 150 Millionen Euro jährlich ein. Wir freuen uns über das starke parlamentarische Interesse und die zunehmende Unterstützung für dieses Ziel.

Entscheidender Zeitpunkt für Engagement Ostafrikas

In Ostafrika haben in den letzten Jahren viele Distrikte Investitions- und Förderpläne für sexuelle und reproduktive Rechte entwickelt und implementiert. Typischerweise sind diese Pläne auf fünf Jahre ausgelegt. Das bedeutet, dass im kommenden Jahr ein guter Moment ist, um eine Zwischenbilanz zu ziehen, auf Einhaltung zu drängen und Regierungen beratend für die nächsten Schritte zur Seite zu stehen.

Zusammengenommen unterstützt all das Moses und seine Generation bei der Umsetzung ihrer Ziele und gibt ihnen auch im politischen Raum eine Stimme.

Ich bin sicher: Wenn wir uns an dem Engagement von Moses ein Beispiel nehmen, können wir das Ziel erreichen, jedem Menschen den Zugang zu Verhütung und qualitativen Gesundheitsleistungen zu ermöglichen.

Andreas Hübers leitet die internationale politische Arbeit der DSW von unserem Berliner Büro aus.