Der jährliche G-Finder-Bericht, der von Policy Cures Research am 27. Januar veröffentlicht wurde, zeigt, dass die deutschen Mittel für die lebenswichtige Erforschung neuer Impfstoffe, Behandlungen und Diagnostika für Krankheiten wie Aids, Tuberkulose, Malaria und anderer vernachlässigter Krankheiten im Jahr 2020 auf 55 Millionen US-Dollar gesunken sind. Dies entspricht einem Rückgang um 28 Millionen US-Dollar gegenüber dem Vorjahr. Die Mittel kehren – nach einem großen einmaligen Zuschuss im Jahr 2019 – auf ihr früheres Durchschnittsniveau zurück, und Deutschland bleibt unter den fünf größten öffentlichen Gebern.

Die Gesamtfinanzierung weltweit ist auf das Niveau von 2017 gesunken. Im Jahr 2020 wurden 3,9 Milliarden US-Dollar für Grundlagenforschung und Produktentwicklung für vernachlässigte Krankheiten bereitgestellt, verglichen mit rund 4,1 Milliarden US-Dollar in den Jahren 2019 und 2018. Diese neuesten Zahlen zeigen, dass die benötigten sechs Milliarden US-Dollar für Forschung und Entwicklung (F&E) zur Bekämpfung von Krankheiten, von denen Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen unverhältnismäßig stark betroffen sind, bei weitem nicht erreicht werden. [1]

Weltweit sind mehr als eine Milliarde Menschen von armutsassoziierten und vernachlässigten Krankheiten betroffen – und jedes Jahr sterben 6,7 Millionen Menschen daran

Armutsassoziierte und vernachlässigte Krankheiten sind für etwa 11,7 Prozent[2]  der weltweiten Krankheitslast verantwortlich, dennoch entfielen in der Vergangenheit schätzungsweise nur 1,34 Prozent der weltweiten gesundheitsbezogenen F&E-Ausgaben auf sie[3]. Covid-19 stellt eine doppelte Bedrohung dar. Auf der einen Seite hat die Pandemie massive Auswirkungen auf die Bekämpfung von armutsassoziierten und vernachlässigten Krankheiten: Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie verstärkten die Ungleichheiten, die die Menschen anfälliger für armutsassoziierte und vernachlässigte Krankheiten machen, und die Umverteilung in der Lieferkette schränkte den Zugang zu Schutzmitteln ein. Zum ersten Mal in seiner Geschichte meldete der Globale Fonds nach so vielen Jahren hart erkämpfter Erfolge eine Umkehrung der Entwicklungsdynamik: Die Zahl der Menschen, die mit HIV-Präventionsprogrammen erreicht wurden, ging im Vergleich zum Jahr 2019 um 11 Prozent zurück, und die Zahl der Menschen, die sich einer Behandlung gegen multiresistente und Rifampicinresistente Tuberkulose (MDR/RR-TB) unterzogen, sank im gleichen Zeitraum um 15 Prozent[4].

Andererseits wurden zwar zusätzliche Forschungsinvestitionen in noch nie dagewesenem Umfang zur Bekämpfung von Covid-19 mobilisiert, doch die Bemühungen zur schnelleren Reaktion auf die Pandemie haben zweifellos dazu geführt, dass Ressourcen von anderen dringenden globalen Gesundheitsthemen und Forschungsprioritäten abgezogen wurden. Angesichts der weltweiten Pandemie haben sich die Forschung und die Finanzierung globaler Gesundheitsprogramme auf Covid-19 konzentriert. Auch wenn die Pandemie die F&E-Landschaft schnell verändert hat, ist es nicht selbstverständlich, dass dies den Fortschritt in der F&E zu armutsassoziierten und vernachlässigten Krankheiten beschleunigen wird – aber genau darin liegt eine Chance. Weitere Untersuchungen von Policy Cures Research haben gezeigt, dass es nur fünf Monate dauerte, um die Summe zu erreichen, die für Forschung und Entwicklung im Bereich der armutsassoziierten und vernachlässigten Krankheiten jährlich zur Verfügung steht – mit vier Milliarden US-Dollar, die für die Covid-19-Forschungsfinanzierung bis Mai 2020 angekündigt wurden. Ähnlicher Ehrgeiz ist gefragt, um die bestehenden Forschungs- und Produktlücken bei armutsassoziierten und vernachlässigten Krankheiten zu schließen. Die Gesamtinvestitionen in Forschung und Entwicklung im Bereich der globalen Gesundheit sollten nie wieder auf das unverantwortlich niedrige Ausgangsniveau vor der Pandemie zurückfallen.

Die Finanzierung von F&E für armutsassoziierte und vernachlässigte Krankheiten wird mehr denn je benötigt

Seit jeher ist die F&E zu armutsassoziierten und vernachlässigten Krankheiten unterfinanziert, und es gibt keine kommerziellen Anreize für die Entwicklung von Instrumenten, um Krankheiten wie Chagas, Trachom und Bilharziose zu bewältigen. Im jüngsten G-Finder-Bericht wird hervorgehoben, dass die Finanzierung durch den Privatsektor im Jahr 2020 weiter zurückging und nur noch 12 Prozent der Gesamtfinanzierung ausmachte, der niedrigste Stand seit 2013. Angesichts der langjährigen Vernachlässigung der F&E von armutsassoziierten und vernachlässigten Krankheiten sowie des sich abzeichnenden Trends einer rückläufigen Finanzierung durch den Privatsektor müssen öffentliche Geber wie Deutschland weiterhin eine Führungsrolle übernehmen. Die bevorstehende dritte PDP-Finanzierungsrunde und die deutsche G7-Präsidentschaft bieten perfekte Gelegenheiten, neue ehrgeizige Finanzmittel anzukündigen und politische Führungsstärke bei der Bekämpfung von armutsassoziierten und vernachlässigten Krankheiten zu zeigen.

Es ist entscheidend, dass diese Möglichkeiten genutzt werden, um Finanzmittel für die Entwicklung neuer Instrumente und Technologien zur Prävention und Beseitigung von armutsassoziierten und vernachlässigten Krankheiten zu schaffen und weiter auszubauen. Die Staats- und Regierungschefs der Welt haben sich verpflichtet, den Epidemien von HIV und Aids, Tuberkulose, Malaria und vernachlässigten Tropenkrankheiten bis 2030 zu beenden. Um diese Verpflichtung einzuhalten, müssen jetzt tiefgreifende Entscheidungen getroffen werden, damit wir die Vernachlässigung beenden können.

Der Beitrag ist zuerst auf unseren englischen Blog erschienen, wurde übersetzt und redaktionell bearbeitet.

[1] http://www.globalhealth2035.org/sites/default/files/report/global-health-2035.pdf

[2] https://ourworldindata.org/grapher/share-of-total-disease-burden-by-cause

[3] https://www.tandfonline.com/doi/full/10.3402/gha.v8.25818

[4] https://www.theglobalfund.org/media/11304/corporate_2021resultsreport_report_en.pdf