Halima Abba Zaid Ali koordiniert das Young Adolescents Project (YAP) der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) in Kenia. Durch das Young Adolescents Project erhalten Heranwachsende zwischen zehn und 14 Jahren an neun Grundschulen altersgerechte Informationen zu Sexualität und Verhütung. Im Interview skizziert sie die Herausforderungen, vor denen Jugendliche in der Küstenregion des ostafrikanischen Landes stehen – und wie sie ihnen mithilfe des Projekts begegnen. 

Halima, warum besteht überhaupt ein Bedarf an Projekten, die Kinder und Jugendliche in Kenia stärken?

Weil die Zukunft von ihnen abhängt. Wir haben so viele Jugendliche wie kaum ein anderes Land. Wenn Heranwachsende gestärkt werden, wirkt sich das positiv auf die ökonomische Lage und die Gesundheitssituation im Land aus.

Portrait von Halima Abba Zaid Ali

Halima Abba Zaid Ali ist die Koordinatorin des Young Adolescents Project (YAP) der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) in Kenia.

Was sind die größten Herausforderungen?

Wir stehen vor vielen Herausforderungen. Zum Beispiel sind viele Eltern Analphabeten, wodurch Mythen und Irrtümer rund um Themen wie Aufklärung und Verhütung vorherrschen. Auch kulturelle Fragen spielen eine Rolle. Es ist nach wie vor vielerorts ein Tabu, dass Kinder mit ihren Eltern über Sexualität sprechen. Außerdem sind wir mit Fragen der Rollenverteilung konfrontiert: Die Väter kaufen ihren Töchtern keine Binden, weil sie das für die Aufgabe der Mütter halten oder denken, ein Tuch würde ihnen während der Menstruation ausreichen. Sie sehen es oft als Aufgabe der Mutter, mit den Kindern über Fragen der Sexualität zu sprechen.

Spielt Armut eine Rolle?

Ja, die Armut führt zum Beispiel dazu, dass die Mädchen sich keine Hygieneprodukte leisten können. Eine weitere Folge ist Nährstoffmangel, der sich auch in schwächerer schulischer Leistung äußert. Viele Mädchen verlassen vorzeitig die Schule und heiraten früh, in der Hoffnung, zumindest ihre Grundbedürfnisse zu stillen.

Gibt es denn auch eine positive Entwicklung?

Dass Jugendliche inzwischen bei vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen auf dem Plan sind, ist eine Erfolgsgeschichte. Dadurch sind Plattformen entstanden, auf denen die Regierung und Entwicklungspartner zusammenarbeiten. So entstehen sektorübergreifende Ansätze und Lösungen, um das Leben von Jugendlichen zu verbessern.

Welche Maßnahmen ergreift ihr im Rahmen des Young Adolescents Project?

Wir zielen auf einen Wandel auf mehreren Ebenen. Erstens wollen wir eine Verhaltensänderung bei Heranwachsenden erreichen, indem wir sie aufklären und ihnen Wissen und Informationen über Verhütung und Gesundheit vermitteln. Zweitens wirken wir darauf hin, dass die Bedürfnisse von Jugendlichen Priorität bei Aktionsplänen der Bezirke bekommen. Als drittes binden wir Schulen ein, um eine größere Nachhaltigkeit zu erreichen. Und zu guter Letzt sorgen wir dafür, dass sich Gemeinderäte organisieren und Jugendliche ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit rücken.

Zielt das Projekt nur auf Mädchen? Was ist mit den Jungen?

Alle unsere Maßnahmen zielen sowohl auf Mädchen als auch auf Jungen. Nur wenn beide gestärkt werden, können sie positiv auf ihre Gemeinden einwirken. Die Jungen entwickeln eine positivere Einstellung und unterstützen Mädchen in ihren Bedürfnissen, was schlussendlich auch geschlechtsbasierte Gewalt reduziert.

Welche Rolle spielen Gemeindeführer bei der Projektarbeit?

Die Stiftung bindet Gemeindeführer bei allen ihren Projekten als handelnde Partner ein. Wir versorgen sie mit Informationen, Kenntnissen und Trainings, die sie bei Gemeindetreffen einsetzen können. Es ist einfacher, unsere Aktivitäten umzusetzen, wenn ein Wortführer vorher die Gemeinde dafür sensibilisiert hat. So entsteht ein positiver Einfluss auf Fragen der Sexualität, Gesundheit und Aufklärung in der Gemeinde.

Du hast kürzlich Parlamentarier in Berlin getroffen. Wofür haben sie sich am meisten interessiert?

Das Treffen mit den Abgeordneten bot Gelegenheit, über viele Aspekte, die mit dem Aufwachsen in Kenia zusammenhängen, zu diskutieren. Oft gelten Jugendliche als zu jung für Aufklärung, und viele werden dadurch verwundbar, insbesondere Mädchen. Das Risiko, früh schwanger zu werden, früh zu heiraten und aus der Schule auszuscheiden, ist aufgrund des Teufelskreises aus Armut und mangelnder Unterstützung groß. Wenn Jugendliche gestärkt werden, können sie besser Entscheidungen für ihr eigenes Leben treffen. Dafür habe ich die Mitglieder des Parlamentarischen Beirats für Bevölkerung und Entwicklung sensibilisiert.